Prof. Dr. Hans-Georg Knopp – Es ist nicht so einfach
Prof. Dr. Hans-Georg Knopp, Kulturwissenschaftler, ehemaliger Generalsekretär des Goethe-Instituts München und Intendant am Haus der Kulturen der Welt in Berlin, lebt in Shanghai
Die Chinesen kopieren! Klar, das weiss jeder und oft wird darüber mit einer gewissen Häme und Arroganz gesprochen, so, als ob man eben in China nur das könnte: kopieren, was woanders erfunden wurde.
Und so fokussieren auch die Filme, die man so kennt und die man auch allenthalben sieht, auf die Produkte. Man zeigt uns oft die eins zu eins hergestellten Waren. Ja, es gibt in Deutschland sogar eine Art „Auszeichnung“ für Produktepiraterie, die wohl eigentlich diejenigen beschämen soll, die so etwas herstellen. Die beiden Worte „Raub“ und „Piraterie“ stehen dafür.
Aber wer berichtet uns in Europa eigentlich von den Menschen, die dahinterstehen? Von den Gründen, wieso und warum die das so machen? Und kopieren die wirklich nur eins zu eins, oder steckt vielleicht mehr dahinter?
Genau diese Fragen stellt der Film von Jürg Neuenschwander in wohltuender, langsamer, beobachtender Weise. Nicht als Ankläger tritt er auf, sondern als jemand, der ein Terrain erkunden will. Zu oft sind Filme zu diesem Thema doch nur bebilderte Urteile, die man schon längst getroffen hat. Hier wird der Zuschauer nicht gegängelt, er darf und kann sich selbst ein Urteil bilden.
Denn uns sind die Lebensumstände in China doch ziemlich unbekannt. Welche Geschichten stecken dahinter? Welches sind die Gründe? Wo wohnen etwa diese Erfinder, haben sie Familie, was denken sie, welches Verhältnis haben sie zum Thema, wie stehen sie dazu?
Und plötzlich sehen wir Menschen, nicht Kopierer. Denn, das legt der Film dar, es geht nicht um die simple Kopie – natürlich, die gibt es auch –, es geht den Menschen darum, unter schwierigen Umständen etwas zu entwickeln, was für die Verhältnisse in China tauglich ist. Und das ist eine eigene Art von Kreativität.
Das anerkennt ja auch die Schweizer Firma Bühler, die sonst nie auf diesen Markt gekommen wäre. Denn wer auf den Markt will in diesem Land, muss sich, wie überall auf der Welt, den Bedingungen anpassen.
Und auch dort ist ganz wesentlich von so wichtigen und unverzichtbaren Eigenschaften wie „Vertrauen“ die Rede. Wenn zwischen dem Schweizer Unternehmen und dem chinesischen Unternehmen keine Sympathie vorhanden wäre, wäre dieser Zusammenschluss nicht zustande gekommen.
Und auch das sehen wir in diesem Film: Sympathie für Menschen, die etwas erreichen wollen. Sicher nicht um jeden Preis, auch das gibt es. Es geht hier nicht darum, die europäischen Amplifier aus dem Markt zu drängen, es geht nicht darum, den Drohnenhersteller aus den USA kaputtzumachen. Es geht darum, dieses Land zu entwickeln und den Menschen bessere Möglichkeiten zu schaffen.
Jürg Neuenschwander schaut hinter die Kulissen, er lässt es nicht beim Vordergründigen bewenden, er deckt auf und macht bewusst. Er macht auch klar, dass das Thema nicht so einfach ist, gemessen auch an anderen Bereichen. Wenn etwa darauf hingedeutet wird, dass man eben überall auf der Welt auf den Entdeckungen und Erfindungen anderer aufbaut. Vielleicht ist es auch zu simpel, zu sagen, dass es nicht um Kopie, sondern quasi um eine Forschung geht, aber es ist ein bedenkenswerter Punkt.
So gibt es einige wichtige Aspekte, die in diesem Film zur Sprache kommen, die die Menschen in diesem Film von anderen, skrupellosen Kopierern, die es sicher gibt, unterscheidet.
Hier haben wir es mit „Entrepreneuren“ zu tun, die eine Firma aufbauen und entwickeln wollen. Ihre Neugier ist ja auch bemerkenswert. Die einen sind auf eigene Kosten in die Schweiz gefahren, die anderen sehen und erleben wir in Kalifornien. Wir sehen sie, wie sie Erfolg haben, wir sehen auch, wie sie an Missverständnissen scheitern.
Sicher, es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Kopieren, Nachmachen, ein wichtiger Teil der chinesischen Kultur ist. Der Meister macht vor, der Schüler macht nach. Aber auch da: Der wahre Meister ist derjenige, der den eigenen Lehrer übertreffen kann, der seine eigenen Ideen dem Tradierten hinzufügt. Und ist das nicht bei uns genauso? Wir alle stehen auf den Schultern von Riesen!
Produkte werden so optimiert, besser gemacht für die Umstände. Und, sagen wir’s doch offen: Sind wir nicht oft froh darum? Das Stehenbleiben einer Entwicklung ist doch für niemanden gut und wie oft klagen wir: Der soll sich mal ein Beispiel nehmen. Die Schweizer Firma Bühler macht vor, wie man sich damit nicht nur arrangieren, sondern miteinander bestens leben kann.
Smart and bold, ja, das sind die nötigen Eigenschaften, um solche Firmen auf die Beine zu stellen, wie sie hier gezeigt werden. Und das sind diese Menschen, durchaus im guten und sympathischen Sinne: smart und bold.
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