Markus Mugglin – Einblick in ein ungewohntes China

Markus_Mugglin-450Markus Mugglin, Wirtschaftsjournalist, ehem. Redaktionsleiter Echo der Zeit SRF

Wer kopiert wird, soll sich nicht beklagen, darf sich vielmehr geehrt fühlen. Denn chinesische Manager, Tüftler oder Start-up-Unternehmer bauen einen Kopterantrieb, ein Tongerät oder eine Futtermittelmaschine nur nach, wenn sie diese qualitativ hoch einschätzen.

Davon erzählt der Film „The Chinese Recipe – mutig und klug“. Er bietet ungewohnte Blicke auf ein von Unternehmern aus dem Westen oft beklagtes Thema. Raub von geistigem Eigentum, Produktpiraterie, hinterhältiges Nachmachen sind nicht die Begriffe der Chinesen. Sie übernehmen zwar Technologien, doch sie entwickeln sie weiter. Was der Westen verurteilt, bewerten sie positiv. Oder wie es der Unternehmer Kong im Film formuliert:

„Wenn dich andere kopieren, bedeutet das, dass du etwas Wertvolles hast, das sich lohnt zu kopieren. Wenn andere deine Produkte nicht kopieren, dann sind sie keinen Cent wert.“

Kong, einer der Hauptakteure im Film, ist CEO des chinesisch-schweizerischen Unternehmens Bühler Changzhou. Er hat reiche Erfahrung im Nachbauen und Verbessern von Maschinen. Diese vereinen technologische Errungenschaften aus den USA, Dänemark, der Schweiz und aus China und machten ihn zum Marktführer im Riesenreich.

Von seinem Erfolg profitiert auch die Joint-Venture-Partnerin „Bühler Group Uzwil“. Ihr Vertreter vor Ort, Dieter Vögtli rühmt nicht nur die Dynamik des Unternehmers Kong und seines Partners Wang. Seine Sicht tönt auch quasi chinesisch:

„Hört auf, Angst zu haben, dass man euch kopiert. Die kopieren euch sowieso, ob ihr wollt oder nicht. Das steht gar nicht zur Diskussion. Wenn ihr gut seid, werdet ihr kopiert. Also du bist besser dabei und schneller.“

Die Futtermittelfabrik ist nur ein Beispiel, das der Film „The Chinese Recipe – mutig und klug“ ins Bild rückt. Da gibt es auch die Geschichte des Tüftlers Zhou, der im staubigen, unordentlichen Atelier „Happy Buying Electronics“ Tongeräte höchster Qualität zusammenbaut. Er philosophiert über die sehr verschiedenen Klanggeschmäcke in Europa, Japan und in den USA und baut unterschiedliche Klangtypen nach – meint aber:

„Ich betreibe kein plumpes Kopieren. Ich bin besser als das Original. Sie kopieren eher mich.“

„Wir kopieren nicht, wir lernen“, ist auch das Verständnis junger Technologiefreaks, die Autopiloten für Drohnen entwickeln. Was für die Wissenschaft gut sei, gelte auch für die Wirtschaft, meint ihr Mentor, der Gründer und CEO der Firma Seeed Studio in Shenzhen. Die Jungs kauften ein Gerät, um es zu hacken. Denn sie wollen „verstehen, wie es funktioniert. Sodass wir in Zukunft eigene kleine Kopter machen können.“

Jürg Neuenschwander vermittelt mit „The Chinese Recipe: mutig und klug“ die chinesische Sicht auf ein wirtschaftspolitisch höchst brisantes Thema. Aber nicht nur. Der Filmemacher, der sechs Jahre in Shanghai gelebt hat, bietet Einblick in ein ungewohntes China. Er lässt die Protagonisten über Alltägliches reden, über ihre Freude, Neues zu wagen, Risiken einzugehen, über ihre Freude und ihren Ehrgeiz, sich mit den Besten ihrer Metiers auf globaler Ebene zu messen – selbst im kalifornischen Silicon Valley, wohin die jungen Technofreaks ausschwärmen und hoffen, ihre Träume zu verwirklichen.

Die enthusiastischen Jungpioniere, der Einzelgänger und die arrivierten Grossunternehmer haben sehr unterschiedliche Geschichten zu erzählen. Doch sie alle vermitteln ein Bild über China, das in manchem anders ist, als wir es aus der Ferne wahrnehmen.